Man muss lernen, mit seiner eigenen Sensibilität umzugehen. Das ist kein einfacher Weg, aber wenn man sich darauf einlässt, dann alles fließt einfach – Gespräch mit Larissa Offner.
Marlena: Weiblichkeit: Umfasst kulturell und gesellschaftlich der Frau zugeschriebene Eigenschaften. Diese enzyklopädische Definition spiegelt nicht die Komplexität des Themas wieder, oder? Larissa: Wenn wir den Begriff „Weiblichkeit“ nur mit Frauen verbinden, ist es zu wenig. Deswegen halte ich mich an die Theorie von Yin und Yang – die Theorie der Dualität – über die weiblichen und männlichen Prinzipien. Wenn wir über die Weiblichkeit sprechen, sollten wir nicht nur Frauen berücksichtigen, sondern auch Männer, weil auch sie eine weibliche Seite in sich haben.
Also die Dualität der Welt.
Genau. In dieser Dualität finden sich bestimmte Eigenschaften, die eher weiblich oder männlich sind. Und man braucht beide, um ein harmonisches Leben zu führen.
Was steckt dahinter und wohin führt uns diese Art der Wahrnehmung als Menschen?
Eigentlich rührt die gesamte Diskussion um das Thema „Weiblichkeit“ daher, dass wir auf der Welt in einem Ungleichgewicht leben. Das männliche Prinzip herrscht vor. Das-ist eine Folge des andauernden Patriarchalismus. Das Weibliche/Die Weiblichkeit wird eher vernachlässigt und oft als „schwach“ wahrgenommen.
Es ist immer schwierig, sich von alten Mustern zu lösen. Komischerweise sogar dann, wenn wir deutlich sehen, dass diese uns etwas nicht gut tun und dass nur eine Veränderung uns voran bringen kann.
Aus diesem Grund müssen wir uns alle mit diesem Thema auseinandersetzen. Die Männer sollten auch an ihrem weiblichen Teil arbeiten, um in ein Gleichgewicht zu gelangen.
Welche Charaktereigenschaften bezeichnet man als „weiblich“ in der Philosophie Yin und Yang?
Intuitiv, emotional, zyklisch. Frauen wirken von Monat zu Monat. Visionen sind ebenfalls weiblich: Eine Vision zu haben bedeutet sich etwas vorstellen zu können, zu integrieren und umzusetzen. Mit der Thematik ist auch eng verbunden, wie wir erzogen werden…
… weil in der Kindheit wird uns immer gesagt „weine nicht, schreie nicht, sei nicht zu emotional. Sei nicht wie ein Mädchen“.
Das bedeutet, wenn es darum geht Emotionen zu zeigen, kann dies das Leben schwerer machen. Zum Glück, gehört diese Denkweise der Vergangenheit an. Stereotypen prägen uns – besonders in der Kindheit und bleiben tief in uns verankert.
Gibt es eine Methode, wie man diese Thematik besser umsetzen kann
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit dem Körper und mit dem Ausdruck. Es geht nicht nur darum, sich mit sich selbst auf einer tieferen Ebene zu verbinden, sondern das auch zum Ausdruck zu bringen. Wir Frauen sind oft auf eine gewisse Weise traumatisiert und haben Angst uns auszudrücken, weil wir schon so viel schon erlebt haben.
Zum Beispiel?
Angriffe von außerhalb in Bezug auf unseren Ausdruck. Ich sehe es als meine Aufgabe, meinen Schülerinnen zu verdeutlichen, dass es natürlich ist, sich frei auszudrücken.
Wie kann man den ersten Schritt machen?
Vieles wird freigesetzt, wenn man sich sicher fühlt. Ich betone immer, dass es wichtig ist, dass man einen sicheren Raum dafür hat.
Also, man hat den ersten Schritt geschafft und einen sicheren Raum gefunden. Wie geht es dann weiter?
In der Gemeinschaft mit anderen Frauen zu sein und seine Erfahrungen und Gefühle zu teilen – das ist magisch! Die Beziehung zwischen Frauen ist eine solche befreiende Erfahrung. Sich gegenseitig bewundern, empowern und loben.
Für so ein Erlebnis muss man sich öffnen. Ist das für alle einfach?
Einerseits erlebe ich Frauen, die eine riesige Lust darauf haben endlich loszulassen. Anderseits aber auch diejenigen, die sich noch in dem Prozess befinden, überhaupt anzufangen. Oft gibt es eine Blockade, die es nicht erlaubt sich frei nach außen zu bewegen, weil da zu viel Angst ist oder zu viele Glaubenssätze.
Das kann wie Selbstverurteilung sein.
Das begrenzt und stört den Lernprozess seinen Körper zu lieben. Hierbei gibt es keinen Endpunkt. Das ist ein Prozess. Eine Transformation. Je tiefer man sich hineinbegibt, desto besser wird es. Es ist wichtig, dabei geduldig zu bleiben, weil das kein Prozess ist, der von heute auf morgen passiert.
Der Wille, Offenheit und der Glaube an Schwesternschaft sind die besten Mittel.
Und Sinnlichkeit. Dem Körper Genuss erlauben und diesen zu erleben. Ein Beispiel ist meine Erfahrung mit dem Tanz. Ich hatte einen großen Drang zu performen und ich war mit meinem Körper nicht richtig verbunden. Die Sinnlichkeit hat mir geholfen diese Verbindung einzugehen und zu lernen, dass ich zunächst für mich selbst tanze. Und sogar, wenn ich als Geschenk tanze, tue ich es erstmal für mich. Grundsätzlich je mehr ich genieße, desto mehr können die anderen es genießen und ich kann mit meinem Tanz berühren.
Selbstliebe und Selfcare – das alles klingt sehr bekannt. Aber das praktisch umzusetzen ist nicht immer so einfach. Hat dich jemand dabei unterstützt?
Als ich ein Teenager war, wurde ich von einer Therapeutin und Osteopathin unterstützt. Es hat eine große Rolle gespielt, dass sie eine Frau war. Die Art und Weise wie sie mich empowert hat, wie sie mit mir umgegangen ist. Sie war eine Person, die mich geführt und mir zugehört hat, ohne mich zu bewerten. Ich war damals unsicher und dachte, dass ich nichts kann. Ständig fragte ich mich, wofür ich hier bin und was ich machen soll. Sie hat mir geholfen meine Qualitäten zu erkennen. Damals fand ich heraus, wieviel hinter meiner Weiblichkeit steckt.
Da wir auch manchmal Männer treffen, muss ich Dich fragen: Wie stehen die Männer zu dem Thema „Erweckung der Weiblichkeit“?
In einer Beziehung wird man mehr gespiegelt – das kann einige bei ihrer Selbstentwicklung unterstützen. Ansonsten haben Männer nichts damit zu tun. Jede Frau ist ihre eigene Persönlichkeit und braucht keinen Mann, um mit ihrer Weiblichkeit voranzukommen. Was für so eine Rolle spielen die Männer da? Oft eine negative.
In welchem Sinn?
Ich ermuntere vor allem dazu, sich davon erstmal zu lösen und sich um sich selbst zu kümmern. Nach der Regel: Alles, was ich tue, tue ich für mich. Wenn ich bereit bin, kann ich das nach außen tragen. Dabei muss ich aber aufpassen, dass ich mich selbst schütze.
Schütze?
Ich habe öfter von Frauen gehört ,,Wie soll ich sinnlich sein?! Wie werden die Männer darauf reagieren?“ Und ja, man muss damit rechnen, dass es Reaktionen gibt. Das ist aber kein Grund dafür aufzugeben. Wir Frauen sollten bewusst entscheiden, in welchen Situationen. Wichtig ist, sich selbst gut kennen und seine Grenzen zu respektieren. Und die Fähigkeit zu haben, „Nein“ nein zu sagen.
Auf die eigene Intuition zu hören ist immer eine gute Idee. Mit wem, wo, wann und auf welche Art und Weise.
Ich bin dafür, dass man sich ständig ausprobieren sollte, und man das machen sollte, worauf man Lust hat. Sich schön zu machen, sich für jemanden zu bewegen – alles was zum Leben gehört – das trägt zur inneren Kraft bei. Gesunde Verführung/Sinnlichkeit kann benutzt werden um sich selbst zu stärken.
Sprichwort sagt: In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Ich denke, dieses Sprichwort funktioniert auch umgekehrt. Ein gesunder Geist führt zu einem gesunden Körper.
Unsere Welt ist so laut und wir werden mit so vielen Bildern und Geräuschen auf einmal konfrontiert – es ist schwierig alle Empfindungen zu beachten/hören. Manche von diesen – zum Beispiel Kopfschmerzen – möchte man am besten schnell ausschalten. Dann nimmt man halt eine Tablette und denkt nicht viel darüber nach, wo die Ursache liegt. Aber wenn wir uns das näher ansehen, bringt es uns auf eine ganz andere Ebene mit der Arbeit mit sich selbst. .
Eine alte, gute Weisheit des Körpers.
Man muss lernen, mit seiner eigenen Sensibilität umzugehen. Das ist kein einfacher Weg, aber wenn man sich darauf einlässt, dann alles fließt einfach. Unser Körper ist ein Glücksmacher. Wenn wir anfangen all diese Empfindungen zu spüren, was alles möglich ist, dann ist es der Hammer.
Larissa Offner: Bauchtänzerin, Schauspielerin, Sinnlichkeitscoach.
Sie macht Frauen auf ihre Schönheit und natürliche Stärke aufmerksam.
Mit dem Bauchtanz und kreative Workshops hilft sie bei der Entwicklung der Sinne und beim Verständnis, dass alles, was die Frauen suchen, bereits in ihnen ist.
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